Soke
|
Soke Masaaki Hatsumi
von
Shidoshi Michael Wedekind erzählt. |
|
Viele Geschichten ranken sich um das Oberhaupt des Bujinkan. Diejenigen, die seine persönlichen Schüler sind, jahrelang unter ihm studierten und privaten Kontakt zu ihm haben oder hatten, beschreiben ihn als einen der ungewöhnlichsten Menschen den sie kennnenlernten und können außergewöhnliches über ihn berichten. Hatsumi Sensei wurde am Morgen des 2. Dezember 1931 in Noda-shi, in der Präfektur von Chiba, etwa 70 Kilometer nordöstlich von Tokio geboren. Nach einer schweren Schwangerschaft seiner jungen Mutter kam er mit den Füßen zuerst auf die Welt. |
|
Der Junge Yoshiaki im Alter von etwa 3 Jahren. |
Hatsumi begann sein Budotraining bei seinem Vater, der ihn im Alter von etwa 7 Jahren im Kenjutsu unterrichtete. Damals trainierte er jeden Tag mit seinem Bokuto (Holzschwert). Mit 10 Jahren begann er Judo zu betreiben und später im Gymnasium kam noch Kendo, Aikido, Karate und west- liches Boxen hinzu. Als der junge Yoshiaki, wie Hatsumi in seiner Jugend hieß, dass erste Mal etwas über das Ninjutsu erfahren wollte, stand er in den Bergen, welche die Geburtsstätte des Ninjutsu gewesen waren gegenüber und rief die Ninja und forderte sie auf aus ihren Verstecken zu kommen. Aber so laut er auch rief, es kam keine Antwort. |
Auf der Hochschule war er Mannschaftskapitän und Mittelstürmer im Fußballteam. Auch studierte er Gesellschaftstänze und bemerkte, daß ihm dieses bei der Beinarbeit in den Budokünsten half. Auf der Meji-Universität galt sein Hauptinteresse, neben den Budo, der Theaterwissenschaft, die dort studiert wurde. In den Theaternwisssenschaften promovierte er auch. Nach dem Zweiten Weltkrieg, während Hatsumi an der medizinischen Hochschule studierte, unterrichtete er ebenfalls Judo bei den amerikanischen Soldaten an der Yakota Army Base. Hatsumi war damals Anfang Zwanzig, ein begeisterter Judoka und hatte zu dieser Zeit den 4. Dan im Judo. Es machte ihm Spaß die großen Amerikaner zu werfen. Einmal im Training griff ein Soldat, mit Kampferfahrung aus dem zweiten Weltkrieg, Hatsumi´s Arm mit einer ähnlichen Technik wie "Oni Kudaki" an. Dem hatte Hatsumi nichts entgegenzusetzen und wurde geschlagen. Nun stellte er seine bisherigen Budoerfahrungen infrage. Schnell merkte er, daß die Amerikaner die fehlende Technik mit Kraft und wirklicher Kampferfahrung mehr als wettmachen konnten. Die jahrelangen Erfahrungen in den versportlichten Budo-Disziplinen brachten im Kampf keine entscheidenden Vorteile. So reifte in Hatsumi der Drang, nach effektiveren Kampftechniken zu suchen. Anfang
der 50er Jahre trainiere Hatsumi Sensei "Kobudo" (die alten
Kampfkünste), weil er praktisch einsetzbare Kampftechniken suchte. Drei
Jahre lernte Hatsumi bei seinem Kobudolehrer Ueno. |
|
So
arrangierte sein Lehrer Ueno einen Besuch in Nara und Hatsumi Sensei wurde
Toshitsugu Takamatsu vor- gestellt. Dieser war als Lehrer des Kukishinden-ryû
und des Shindenfudo-ryû bekannt. Fast niemand wußte, dass er außerdem Ninjutsu unterrichtete. 1956 war Takamatsu etwa 70 Jahre alt, aber Hatsumi Sensei sagte später, daß er in seiner Gegenwart fröstelte. Die ersten Worte, die Takamatsu an Hatsumi richtete, waren "Willkommen" und "Entspann” Dich". Beim ersten Training sollte Hatsumi gegen Takamatsu kämpfen. Gegen den 70 Jahre alten Mann sollte er der 26jährige kämpfen. Takamatsu´s Techniken waren so schmerzhaft, wie er Schmerz noch nicht kannte. Es war ein "heißer Schmerz" und Takamatsu gab Hatsumi das Gefühl ihn jederzeit töten zu können. Takamatsu setzte nicht einen Hebel an, sondern gleich immer 4 oder 5 Techniken, so daß Hatsumi nicht wußte, von wo überall der Schmerz kam. Das war was er so lange gesucht hatte. Hatsumi bat Takamatsu, ihn als Schüler anzunehmen und Takamatsu willigte ein |
Takamatsu, Toshisugu der mongolische Tiger |
Von
nun an reiste Hatsumi jedes Wochenende von Noda nach Nara und zurück,
ganze 15 Jahre lang. Rund 15 Stunden Zugfahrt lagen zwischen Hatsumi´s
Heimatort Noda und Takamatsu´s Dojo in Nara. Hatsumi hatte zu dieser Zeit
eine chiropraktische Klinik in Noda eröffnet, wo er gebrochene Knochen
behandelte. Das Training bei Takamatsu war hart. Es gab kein Aufwärmtraining und es wurde nur mit echten Waffen trainiert. Im Ernstfall hätte man auch keine Zeit zum Aufwärmen, man müsste immer bereit sein für einen Kampf. Mit der Zeit lernte Hatsumi seinen Lehrer besser kennen. Und je besser er ihn kannte, umso mehr stellte er fest, dass Takamatsu selber durch ein sehr hartes Training gegangen war. |
|
Takamatsu´s
Fingernägel zum Beispiel waren 4-5 Millimeter dick, so dass er sie mit
keiner normalen Schere schneiden konnte, und statt dessen einen Seitenschneider
benutzte. In jungen Jahren härtete Takamatsu seine Gliedmaßen durch das
schlagen gegen Felsbrocken ab und die Fingernägel waren das Resultat dieses
Abhärtungstrainings. Beim Training mit Hatsumi benutzte Takamatsu seine Finger oft dazu, um damit seine Schüler zu stechen. Seine Fingernägel fühlten sich dabei an wie Stahlnägel, also sehr gefährliche Waffen. |
|
Schon
nach kurzer Zeit schloß Takamatsu den jungen Hatsumi in sein Herz. Es
war für ihn wie die Begegnung mit einem alten Freund. Meist wurde Hatsumi von Fumio Akimoto, welcher als der fortgeschrittenste von Takamatsu´s Schülern galt, empfangen und betreut. Dieser war wesentlich älter als Hatsumi und wie Takamatsu oft betonte ein begnadeter Schwertkämpfer. Als Hatsumi eines Tages am Fluss “Tone” zusammen mit Akimoto spazeirenging, flog eine Lerche vom Boden hoch. Akimoto zog blitzschnell sein Schwert und teilte den Vogel entzwei. Es hieß Akimoto könne sein “Sakki”, seine Tötungsabsicht, so gut verbergen, dass er sich an einen Vogel heranschleichen und ihn berühren könne, bevor der Vogel dies bemerkte. Takamatsu´s Dojo hieß damals “Sakushin” und befand sich in ersten Stock seines Hauses in Kashiwabara. Vor
dem Training setzten sich Takamatsu, Akimoto und Hatsumi in eine Ecke
des Dojo und unterhielten sich. Meist redete dabei Akimoto wie ein Wasserfall
und ließ sich noch nicht einmal von Takamatsu unterbrechen. Aber von Zeit
zu Zeit ließ Takamatsu der dabei rauchte, Zigarettenasche in Akimoto´s
Hand fallen. Dieser verließ dann kurz das Dojo, um die Asche fortzubringen
und Takamatsu und Hatsumi hatten einen Moment Zeit sich zu unterhalten,
bevor Akimoto zurückkam, um wieder wie ein Wasserfall zu reden, bis sich
der Vorgang wiederholte. |
|
Hatsumi
hatte damit bewiesen, daß er den Geist der alten Krieger besaß. Dies war
der Zeitpunkt, an dem Hatsumi das "Menkyo Kaiden" der Kyuryûha
(Neun-Stile-Schule) verliehen bekam. (Bevor die Kyu- und Dangrade eingeführt wurden, gab es fünf Zertifikate, die das Können und Wissen eines Schülers dokumentierten. Das Menkyo Kaiden ist die höchste Auszeichnung.) |
|
Nachdem
Hatsumi zum Iemoto (Bewahrer der Tradition) bestimmt war, fühlte er
eine riesige Verantwortung auf sich lasten. In den folgenden fünf Jahren
steckte er eine Menge Arbeit in Aktivitäten bei den Massenmedien, hinzu
kam seine Arbeit als “Knochendoktor” und viel Zeit für das Studium und
das Training im Ninjutsu. Meist schlief er nur drei Stunden pro Tag,
ernährte sich zudem sehr ungesund und nahm mit der Zeit stark zu. Sein
Taillenumfang wuchs auf 112cm an und er erreichte ein Gewicht von über
100kg. Hatsumi lief Gefahr ernsthaft krank zu werden. Später sagte er,
daß er zu dieser Zeit seelisch krank war, denn er liebte das Training
der Kampfkünste über alles, jedoch stellte er zu hohe Ansprüche an sich
selbst. Ein
anders Mal überreichte Takamatsu Hatsumi einen Grundriß von Hatsumi´s
Haus, obwohl er es nie besucht hatte. Die Informationen gewann er aus
den Unterhaltungen mit Hatsumi. |